2017 ist in Europa, aber auch über dessen Grenzen hinaus, ein sogenanntes „Superwahljahr“. Ein Hauptbeobachtungspunkt ist das Abschneiden der sogenannten „Populisten“. Wie es scheint, hat der Populismus in weiten Teilen der Welt das Ruder bereits übernommen. Das Risiko sehen wir. Und wir wissen, dass wir diese Entwicklung polarisiert betrachten müssten. Doch angesichts des Ausnahmezustandes fehlen uns manchmal die Worte.

Wir leben im Kommunikationszeitalter und sind doch nicht fähig, so miteinander zu kommunizieren, dass wir uns differenziert mitteilen können. Dem Normalfall wird nur selten das Wort erteilt. Dabei spielt er im Alltag eine tragende Rolle. Es ist an der Zeit, eine Lanze für ihn zu brechen.

Puh, ist das eine Affenhitze heute! Vorige Woche noch war’s saukalt. Und dazwischen? Da gab es angenehme Tage. Verbal wurden die leider unterschlagen. Zu wenig aufregend. Nicht extrem genug, um sie in Worte zu fassen. Wenngleich sie unser Wohlbefinden erfreuten. Den Weg auf die Zunge fanden sie nicht.

Die Welt der Sprache zwingt uns ein Stück Polarisierung auf. Ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit. Als unsere Sprache entstand, war einiges klarer. Meist ging es schlichtweg ums Überleben. Umso wichtiger war es, Ausnahmezustände zu beschreiben. Der Normalfall war so normal, dass er dessen nicht bedurfte.

Ein Mechanismus, der immer noch funktioniert. Auch wenn heute andere Prioritäten und eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren unser Leben bestimmen, wird Durchschnittlichkeit verschmäht. Niemand will ein Langweiler sein. Plakative Schwarz-Weiß-Malerei verkauft sich besser als subtile Ton-in-Ton-Bildnisse.

Das zeigt sich besonders auf politischer Ebene. Populisten bemühen gerne die sogenannte „Stimme des Volkes“, um eben diese zu erringen. Differenzierte Meinungen, Ansichten und Programme fehlen. Auch wenn die Probleme der Welt – wenn überhaupt – nicht mit ganz einfachen Mitteln gelöst werden können, lassen sich plakative und pointierte Aussagen leichter in Tweets verpacken als komplexe Zusammenhänge.

Zu viele Einwanderer oder noch Platz für mehr, sagt nichts über das rechte Maß aus. Armee ja oder nein, da bleibt kein Platz über ein Zwischending mit einer mobilen Anti-Terroreinheit nachzudenken. Das lässt sich kaum kommunizieren. Und was nicht kommunizierbar ist, hat auch keine Chance, beim Wähler, anzukommen, also fällt es weg. Wer das Wagnis eingeht, es trotzdem mit Differenziertheit zu versuchen, wird am Wahltag abgestraft. Dann analysieren die Verantwortlichen, dass die Botschaft eben nicht klar genug kommuniziert werden konnte. Ist ja auch klar, man kann nicht klar kommunizieren, wenn es keine Worte der Klarheit gibt.

Sehr oder zu kalte Temperaturen werden Kälte genannt, sehr oder zu warme Hitze. Doch wo bleiben die angenehmen Grade? Man kann sie zwar umschreiben, aber es gibt kein eingängiges Wort dazu. Oder doch? Wärme oder Frische, Milde oder Kühle – ja, schon, aber zu wenig spektakulär.

Es gibt das Alter und die Jugend. Wie alt bist du? oder Wie jung bist du? ordnet bereits zu. „Wie viele Jahre hast du?“ ist auch keine Alternative. Im Grunde ginge es darum, neue Worte zu erfinden. Vielleicht wäre das ja mal ein sinnvolles politisches Programm: Der Durchschnittlichkeit, die wir zwar anprangen, für unser Leben aber dennoch als Idealform schätzen, zu Salonfähigkeit und neuem Ruhm zu verhelfen. Die Welt würde es danken!

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